Auf Kurs: Julia Dettmer

Auf Kurs: Julia Dettmer

Die Dettmer-Group KG ist schon lange keine reine Binnenreederei mehr. Vielmehr hat sie sich seit ihrer Gründung vor mehr als 50 Jahren zum breit aufgestellten Logistikdienstleister entwickelt – Schritt für Schritt. Auch Nachfolgerin Julia Dettmer weiß, was auf sie zukommt.

In sicherem Fahrwasser

Julia Dettmer sticht heraus. Leicht verspätet kommt sie an diesem Wintertag in das Hamburger Büro der Reederei Dettmer, im Schlepptau einen Mops an der Leine. Sie bringt frischen Wind in die ansonsten eher ruhige Büroatmosphäre: Still wird gearbeitet, die PCs und Ordner voller Listen, die Aufträge und Transportwege disponieren. Ein Kollege steht dreimal auf, um mit der immer gleichen Handbewegung einen Aktenordner aus dem Schrank zu holen und an der richtigen Stelle aufzuschlagen – ohne abzusetzen. Doch jetzt, wo Julia kommt, schauen alle auf. „Hallo“, tönt es im Chor, „hallo“, sagt sie außer Atem, „tut mir leid, der Fototermin und das Mittagessen, alles hat zu lange gedauert.“ Die zierliche junge Frau reicht einem kalte Hände und stellt sich vor. „Julia“, sagt sie mit strahlend blauen Augen und einem Lächeln im Gesicht. Auch sonst bringt die Juniorchefin frischen Wind ins Unternehmen ihres Vaters. Als erste Amtshandlung hat sie eine Marketing- und PR -Abteilung eingeführt und ist verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Der eher verstaubten und trockenen Logistikbranche ein frisches Gesicht nach außen geben, das sieht sie als ihre erste Aufgabe. Dass sie einmal ins Unternehmen einsteigt, stand für sie schon immer fest. Nur den Zeitpunkt hätten die Dettmers fast verpasst. Nach sieben Jahren im Ausland winkte 2012 eine Selbstständigkeit, und da wurde ihr Vater hellhörig. „Schließlich war ich schon 30, und da steht traditionell der Wechsel an“, sagt die Juniorchefin. Denn so war das schon immer bei den Dettmers: Mit 30 ins Unternehmen einsteigen, mit 40 komplett übernehmen. So machen sie es, seit ihr Großvater 1950 das erste Binnenschiff gekauft und ihr Vater die Gruppe auf 34 Einzelfirmen vergrößert hat. Transport in allen Elementen So wird die 32-Jährige einmal Herrin über ein breit aufgestelltes Logistikunternehmen. Vom Transportieren und Verladen auf Schiene, Schiff und Flugzeug übernehmen die Bremer alles. Auch ein Tanklager und eine Recycling-Anlage gehören dazu. 330 Mio. Euro betrug der Gruppenumsatz 2013. Das Perishable- Center am Frankfurter Flughafen, das die Dettmers gemeinsam mit einer anderen Firma betreiben, hat sich zum europaweit größten Umschlagsplatz für verderbliche Güter entwickelt. Kunden sind große asiatische Airlines, Tabak- oder Mineralölkonzerne. Deren Waren werden zum Beispiel am Flughafen oder im Containerlager in Hamburg umgeschlagen. Um die Kunden müssen sich die Dettmers oft nicht aktiv bemühen, viele kommen von sich aus auf das hanseatische Unternehmen zu. „Wir haben mittlerweile eine ganz gute Stellung am Markt, Vertrauen und Referenzen sprechen sich herum“, so Julia Dettmer. Die Lagerhallen dafür werden teilweise speziell für Kunden erbaut, bedarfsgerecht.

Manchmal ist es gut, einfach nur da zu sein.

 
Auch die Schiffe baut Dettmer selbst. Das neueste Prachtstück ist der Tank 140, ein großer Binnentanker mit einer Ladekapazität von 2.000t. Er ist schon mit der ab 2018 gesetzlich vorgeschriebenen Doppelhülle ausgestattet. Entwickelt wurde er als Forschungsprojekt mit der Schiffbauversuchsanstalt in Duisburg. Gebaut wurde er auf einer Werft in Lauenburg, dort, wo auch die Technik von Dettmer ansässig ist: Hier wartet und inspiziert die Reederei ihre Schiffe selbst. Das ist ungewöhnlich, viele Reedereien lagern die einzelnen Services aus. Nicht so die Dettmers, die auf Qualität und Pflege ihrer Schiffe sehr viel Wert legen. Deshalb hat die Reederei auch viele eigene Schiffe, 25 sind es momentan. Nur wenige chartert sie dazu. „Mein Vater sagt immer, unsere Schiffe sind die gepflegtesten im ganzen Hafen“, so Julia Dettmer. Der Aufwand lohnt sich. Mehr als 30 Jahre hält ein Binnenschiff, wenn man sich gut darum kümmert.

Keimzelle Binnenschifffahrt

Mit der Binnenschifffahrt fing auch alles an. Aus ihr haben sich die meisten anderen Unternehmensbereiche fast organisch herausgebildet. Zum Beispiel das Tanklager in Magdeburg. „Als es noch die Mauer gab, haben wir Berlin mit Mineralölprodukten versorgt. Nach dem Mauerfall brach der Vertrag weg und mein Vater überlegte, was er mit den Schiffen machen soll.“ So kam die Idee, ein Tanklager zu errichten, das von den Schiffen beliefert wird. Oder die Entsorgung in Nürnberg: Die dortige Müllverbrennungsanlage hat ihre Abfälle damals immer an die Ruhr gebracht, und zwar mit den Schiffen der Dettmers. Irgendwann hat sich Nordrhein- Westfalen aber geweigert, den Müll aufzunehmen, es musste eine neue Lösung her. „Wir hatten damals schon eine Hafenfläche dazugemietet und nach Imissionsschutzgesetz für Müll ausgestattet.“ Ihr Vater hat dem Nürnberger Hafen schließlich angeboten, eine eigene Recycling-Anlage zu bauen. Das Know-how hat die Gruppe dann mit Partnern eingekauft. So machen das die Dettmers immer: Keine Firmen übernehmen, sondern in Köpfe investieren. Es werden nur eigene Firmen gegründet, manchmal mit Beteiligungen. So auch der jüngste Unternehmensbereich Dettmer Rail, die Schienenlogistik. Ihn gründeten sie Ende 2013.
Doch es gibt auch Unternehmensbereiche, die mit der Schifffahrt auf den ersten Blick nichts zu tun haben. Meist war es dann der Unternehmergeist von Heiner Dettmer, der sich mal wieder durchsetzte. Als etwa 2006 der Frankfurter Flughafen um eine weitere Landebahn erweitert wurde, war nicht klar, wo das zusätzliche Kerosin herkommen sollte – eine ganz schöne Herausforderung. Heiner Dettmer hat dann angeboten, eine 23km-lange Pipeline von Gustavsburg bis zum Frankfurter Flughafen zu bauen. „Das war ein Projekt, wo alle gesagt haben, jetzt spinnt er völlig“, lacht Julia Dettmer. Denn für den Bau der Pipeline musste man durch so manche Schrebergärten, auch bürokratisch eine Hürde. Letztendlich war das Projekt aber einer der größten Erfolge des Unternehmens. Oder das Tanklager in Magdeburg. Aufgrund der hohen Investitionen waren viele aus der Familie skeptisch. Dettmer hat es dann bewusst MUT genannt, für Magdeburger Umschlags- und Tanklager. „Meine Mutter hat meinen Vater am Abendbrottisch immer bestärkt und ihm Mut gemacht“, erzählt die Jungchefin.

Raus in die Öffentlichkeit

So viel Unternehmergeist gehört belohnt, dachte sich Julia Dettmer. Sie will das Unternehmen in der Öffentlichkeit bekannter machen. Auf ihre Initiative hin bewarb sich ihr Vater um mehrere Unternehmerpreise. Höhepunkte waren 2013 die Auszeichnung zum „Bremer Unternehmer des Jahres“ von DIEFAMILIENUNTERNEHMER und der Einzug unter die Finalisten des Ernst&Young-Preises „Entrepreneur of the Year 2014“. Auch wenn sich ihr Vater aus solchen Auszeichnungen anfangs nicht wirklich etwas machte, kennt er mittlerweile deren Bedeutung. Allein schon für die Außenwirkung. „Der Fachkräftemangel betrifft auch uns, als Familienunternehmen müssen wir uns frühzeitig darauf einstellen und unser Unternehmen attraktiv machen.“ Dazu gehören auch ein Relaunch der Unternehmenswebseiten und Imagefilme, die Julia Dettmer gedreht hat. Und attraktiv ist die Dettmer Gruppe als Arbeitgeber. Viele Angestellte sind seit 30 oder mehr Jahren im Unternehmen, die Stimmung ist locker und gelöst. Loyalität steht ganz oben, auch von Seiten der Eigentümerfamilie. Mitarbeiter werden nur langfristig eingestellt, Fluktuation gibt es so gut wie keine. „Bewerbern sagen wir, dass sie bei uns einen Job fürs Leben haben“, so Julia Dettmer. Es ist diese Stärke des Familienunternehmens, die sie in ihrer Zeit bis zur vollständigen Übernahme herausstellen will, genauso wie die Kommunikation untereinander. Bis sie das Ruder vollends übernimmt, hat sie allerdings noch Zeit. Sie will andere Unternehmensbereiche kennenlernen und dort Eigenverantwortung übernehmen – ein Schritt, den sie jedem Nachfolger empfiehlt, denn das ist die einzige Möglichkeit, sich bekannt und beweisbar zu machen. Ihren Ehrgeiz hat sie indes gelernt zu zügeln. Denn auch wenn man frisch ins Unternehmen kommt und viele neue Ideen hat, müssen diese dennoch von den Mitarbeitern verstanden und getragen werden. „Manchmal ist es gut, einfach nur da zu sein und zu zeigen, dass man die Aufgabe übernehmen will“, ist sie überzeugt. Denn der nächste Schritt, so die Jungunternehmerin, der kommt bestimmt – bei den Dettmers sowieso.

Kurz-Biografie

Julia Dettmer

wird 1982 in Bremen geboren, wo sie aufwächst und ihr Abitur macht. Ihr BWL-Studium mit Schwerpunkt Management absolviert sie an der European Business School in London, es folgt ein Master im Bereich International Business an der EADA in Barcelona. 2012 steigt sie ins Unternehmen ihres Vaters ein. Als erste Amtshandlung baut sie eine Marketing- und PRAbteilung auf, die sie noch heute leitet. Julia Dettmer will den Charakter des Familienunternehmens Dettmer stärken und dem Unternehmen ein Gesicht nach außen geben. Denn die Logistikbranche, so die Nachfolgerin, ist alles andere als verstaubt. Seit 2013 ist sie Mitglied bei DIE JUNGEN UNTERNEHMER, wo sie 2014 als Stellvertreterin von Lencke Steiner in den Bundesvorstand gewählt wurde.

 

Unternehmen

Dettmer Group KG

Eigentümer: Heiner und Julia Dettmer
Geschäftsführer: Heiner Dettmer, Andreas Niemeyer, Friedhelm Boldt
Sitz: Bremen
Gegründet: 1947
Branche: Logistik
Mitarbeiter: 1.400
Umsatz 2013: ca. 330 Mio. Euro

 

 
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