Der Vertrauensbruch des Staates: Wie das digitale Handelsregister den Unternehmer-Datenschutz demontiert

Der Vertrauensbruch des Staates: Wie das digitale Handelsregister den Unternehmer-Datenschutz demontiert

Sarna Röser, Kolumne FOCUS MONEY, September 2022

Was würden Sie tun, wenn Ihre ganz persönlichen Daten für jedermann zugänglich im Netz abrufbar wären? Seit mehreren Wochen betrifft diese Frage zahlreiche Unternehmer. Seit dem 1. August 2022 lassen sich Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregistereinträge einfach online abfragen – und das ganz ohne Registrierung oder Kosten. Durch die niedrigschwellige Zugriffsmöglichkeit auf das Portal sind von den dort eingetragenen Unternehmen beispielweise Privatanschriften von Inhabern, Aufsichtsräten und Geschäftsführern sowie Geburtsdaten, Urkunden, Unterschriften und notarielle Änderungen von jedem und von überall in der Welt kostenlos einzusehen und zu speichern. Damit steht die Tür für Kriminelle, für Industriespione und Konkurrenten sperrangelweit offen. Eine Schande für den Datenschutz, eine persönliche Gefahr für Einzelpersonen und eine immense wirtschaftliche Wettbewerbsverzerrung. Datenmissbrauch ist damit vorherzusehen.

Sensible Informationen auf dem Silbertablett zu servieren, kann nicht Sinn der Modernisierung des Handelsregisters sein. Die Bundesregierung hat hier geschlafen. Mit der DSGVO wird in Deutschland Datenschutz sehr hoch gehalten und ein Verstoß gegen diesen streng sanktioniert – anscheinend interessiert sich die Regierung beim Schutz personenbezogener Daten nur bei Arbeitnehmer und Privatpersonen – Datenschutz zählt aber auch für Unternehmer! 

Schuld daran ist die schlampige Umsetzung einer EU-Regelung durch die so genannte Digitalisierungsrichtlinie DiRUG. Mit heißer Nadel wurde die Modernisierung gestrickt ohne die Konsequenzen abzusehen oder überhaupt an die Unternehmer zu denken. Statt eine Übergangsfrist einzuräumen, wurde in einer Hauruckaktion über Nacht das Portal auf kostenlosen Zugriff gestellt. Es gibt weder eine zentrale Anlaufstelle für Beschwerden noch fühlt sich das Justizministerium zuständig. Unfassbar!

Es ist mir unverständlich, dass das Problem seit dem 1. August besteht und noch immer keine Lösung in Sicht ist! Wir fordern die sofortige Abschaltung des Portals, bis die Rechtsgrundlage geklärt ist. Das Bundesministerium der Justiz schiebt nicht nur die Verantwortlichkeiten von sich, sondern versucht sich auch mit wenig stichhaltigen Argumenten herauszureden. Denn das Argument des Bundesjustizministers, dass viele der Informationen schon immer im Handelsregister vorlagen, tut wenig zur Sache. In Zeiten von Internet und Digitalisierung können Daten nun (fast) ohne Kosten massenweise eingesehen und verarbeitet werden. Es ist eben ein Unterschied, ob Daten in verstaubten Akten dezentral vorliegen und nur durch vor Ort-Besuche und der Berechtigten-Prüfung durch Sachbearbeiter zugreifbar, oder wie jetzt nur noch einen Mausklick entfernt sind. Damit ändert sich auch die Gesamtkalkulation. Viele Unternehmer, die vor Jahren und Jahrzehnten ihren Eintrag vorgenommen haben, konnten die Digitalisierung nicht voraussehen – mit dem Wissen von heute wären sie sicherlich misstrauischer gegenüber dem Staat.

Es braucht eine neue Güterabwägung zwischen öffentlichem Interesse und dem Schutz personenbezogener Daten. Wir müssen uns fragen: Welche Daten müssen wirklich online verfügbar sein? Und sind die hinterlegten Daten mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar? Erst danach dürfen diese Daten selektiv wieder öffentlich zugänglich gemacht werden. Grundrechte können nur dann für einzelne Personen zusätzlich eingeschränkt werden, wenn es dafür ein besonderes sachliches Erfordernis gibt. Die Zeit drängt, täglich werden immer mehr sensible Daten eingesehen und heruntergeladen. 

Das Bundesjustizministerium muss das Problem endlich anpacken. Wir brauchen eine EU-rechtskonforme Abhilfe dieser unhaltbaren Situation und zwar schnell. Auch wenn es sich um die Umsetzung einer europäischen Regelung handelt, so sollte der nationale Gesetzgeber alles tun, um die im Unionsrecht vorgesehenen Spielräume zu nutzen. Bisher macht uns die Politik leider deutlich: Das Ziel, Transparenz zu schaffen, scheint wichtiger als der Datenschutz zu sein. Unternehmer werden zu Freiwild, ein Recht auf Privatsphäre scheint für sie nicht zu gelten.


 
Partner
Logo Deutsche Bank

Die Stimme der Familienunternehmer