"Einmal Probesterben bitte"

"Einmal Probesterben bitte"

Das rät Thomas Emrich, 65 Jahre alt und Erben-Ermittler. Sein Unternehmen, das als Ein-Mann-Abenteuer begann, hat inzwischen über 120 Mitarbeiter und ermittelt Erben in der ganzen Welt.

Herr Emrich, können Sie einmal für Unwissende skizieren, wie eine Erben-Ermittlung abläuft.
Wie ein Professor es einmal formuliert hat: kein Erben ohne Sterben. Der Erblasser ist verstorben und damit der Ausgangspunkt. Dann prüfen wir, ob dieser Kinder und/oder Geschwister hatte. Wenn wir das ausschließen, landen wir in unserem täglichen Arbeitsbereich: der dritten Erbenordnung. Dann suchen wir nach Vettern und Cousins – gehen also von den Großeltern mütterlicher und väterlicherseits aus. Wer heute verstirbt, ist normalerweise so um 1940 geboren, seine Eltern um 1910 und seine Großeltern zu Zeiten des deutsch-französischen Kriegs. Ausgehend von den Großeltern, die um die Jahrhundertwende begonnen haben, Kinder zu kriegen, wird dann geschaut, wann deren Kinder auch Kinder bekamen. Deren Enkel sind dann normalerweise die Erben.

Wie ein Professor es einmal formuliert hat: kein Erben ohne Sterben.

 

Sie reisen also in die Vergangenheit und wieder zurück in die Gegenwart.
Ja, im Schnitt dauert der gesamte Prozess dann drei bis fünf Jahre. Die Suche selbst – wenn dann Kirchenbücher und Standesämter durchforstet werden – normalerweise weniger als ein Jahr, aber die Abwicklung kann, gerade wenn es zum Verkauf von Immobilien kommt, länger dauern.

Wie sieht die klassische Ausbildung eines Erben- Ermittlers aus?
Über 80 Prozent meiner Mitarbeiter haben einen Universitätsabschluss in Geschichte.

Sie selbst haben auch Politik, Geschichte und Recht studiert. Wie sind Sie dann zum Erbenermittler geworden?
Über einen Artikel in der Zeitung bin ich auf das Thema Erben-Ermittlung gestoßen. Ich analysierte das wirtschaftliche Umfeld und habe beschlossen, Marktführer zu werden. Und das ist auch geglückt.

In welchen Ländern sind Sie hauptsächlich tätig?
USA und Deutschland. Wobei es in den USA ziemlich knifflig ist. Dort gilt in jedem Bundesstaat ein anderes Recht, sodass wir jährlich ca. 50 Anwälte dort drüben beschäftigen müssen. Darüber hinaus kann ein Fall in Kassel beginnen und schnell mal in Brasilien oder Malaysia enden.

In Deutschland ist die Suche aufgrund des Bürokratiewahnsinns wahrscheinlich einfacher, als anderswo. Oder?
Also in Polen sind die Archive besser gepflegt und digitalisiert als in Deutschland. Da hängt die Bundesrepublik ziemlich hinterher.

Nach welchen Kriterien nehmen Sie einen Fall an?
Nach kaufmännischen Kriterien, wenn beispielsweise 40.000 Euro Bankguthaben vorhanden sind, haben wir eine Chance, dass sich der Aufwand lohnt. Wenn eine Immobilie dabei ist, muss sie mindestens 100.000 Euro wert sein, da sonst die Chance, dass wir ein Verlustgeschäft machen, zu hoch ist. Unser Honorar ist nämlich prozentual an die Erbsumme geknüpft und berechnet sich nicht nach unserem Aufwand. Nach der Rechtsprechung sind es normalerweise ein Viertel, bei schwierigen Fällen ein Drittel der  Erbsumme.

Können Sie uns von einem besonders spannenden Fall berichten?
Es kommt immer wieder zu interessanten Fällen. Einmal fanden wir im Bayerischen Staatsarchiv die rätsellösenden Kriegsstammrollen aus dem Ersten Weltkrieg. Das sind die »Personalakten« der Angehörigen des Militärs. Das ergab ein Erbe von circa einer Million Euro für den Alleinerben in Frankfurt.

Alleinerben sind aber eher selten oder?
Gewöhnlich haben wir pro Fall circa 30 Erben, aber auch Alleinerben kommen gelegentlich vor. Im ersten Fall sind eine Million Euro dann nicht mehr viel - es reicht für einen
Gebrauchtwagen, ändert aber nicht das Leben. Wenn aber jemand allein zwei Millionen Euro bekommt, macht das einen Unterschied.

Grundsätzlich empfehle ich auch jedem, ein Testament zu schreiben.

 

Ist es schon einmal vorgekommen, dass während Ihrer Arbeit ein Testament auftauchte und damit Ihre Bemühungen obsolet machte?
Ja, da hatten wir einen ärgerlichen Fall in Franken. Da haben wir alle Arbeit und Kosten aufgewandt und plötzlich tauchte ein Testament auf.

Und Sie haben nichts verdient?
Uns blieben da noch die Betriebsausgaben fürs Finanzamt. Aber ein Testament kann durchaus auch dazu führen, dass wir tätig werden. Wenn etwa bei einer Mehrzahl von Erben diese nicht in Kontakt stehen und im fernen Ausland leben. Da erledigen wir dann die Kontaktaufnahme. Grundsätzlich empfehle ich auch jedem, ein Testament zu schreiben. Er kann es ja jederzeit korrigieren. Daher ein Tipp: Schreiben Sie sich mal morgen Probesterben in den Kalender. Es lohnt sich, dafür Zeit einzuplanen, darüber nachzudenken und das eigene Sterben zu regeln. Aber manchmal habe ich das Gefühl die Leute denken, wenn sie ein Testament schreiben, sterben sie auch früher. 

Zur Person

Thomas Emmerich

führt sein Unternehmen, die Erben-Ermittlung Emrich Berlin GmbH, seit fast 20 Jahren und unterstützt Nachlassgerichte, Nachlasspfleger und Notare.

 


 
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